Großer Senat des BFH entscheidet: Kein Verlustabzug durch Erben
Der Erbe konnte bisher einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nach dem EStG zur Minderung seiner eigenen Einkommensteuer geltend machen. Dies entsprach einer rund 45 Jahre währenden höchstrichterlichen Rechtsprechung und entsprechenden Praxis der Finanzverwaltung. Der zuletzt mit der Sache befasste XI. Senat des BFH hatte in einem Vorlagebeschluss die Auffassung vertreten, dass der Verlustabzug entgegen der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht vererblich sei. Hintergrund ist ein Rechtsstreit, in dem ein Landwirt und Hoferbe im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer den Abzug des von seinem verstorbenen Vater nicht ausgenutzten Verlustvortrags begehrt hatte. Der Große Senat des BFH musste jetzt entscheiden.
Der Große Senat beseitigt die Vererblichkeit des Verlustvortrags. Der Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrags auf den Erben könne weder auf zivilrechtliche noch auf steuerrechtliche Vorschriften und Prinzipien gestützt werden. Die Einkommensteuer sei eine Personensteuer. Sie erfasse die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Personen und werde daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Hiermit sei es unvereinbar, die beim Erblasser nicht verbrauchten Verlustvorträge auf den Erben zu übertragen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist die neue, für die Steuerbürger ungünstigere Rechtsprechung allerdings erst in solchen Erbfällen anzuwenden, die nach Veröffentlichung des Beschlusses eintreten werden.
Der Große Senat hält aufgrund des Rechtsstaatsprinzips eine vertrauenschützende Übergangsregelung für notwendig. Die neue Rechtsprechung, mit der sich die jahrzehntelang bestehende Rechtslage – vergleichbar einer Gesetzesänderung – faktisch ändere, sei daher erst mit Wirkung für die Zukunft anzuwenden. Des Weiteren weist er darauf hin, dass die von ihm ausnahmsweise getroffene enge Übergangsregelung keinen abschließenden Charakter besitzt. Der Finanzverwaltung bleibt es deshalb unbenommen, einen weitergehenden typisierenden Vertrauensschutz durch abweichende Steuerfestsetzung oder Steuererlass zu gewähren. Gleiches soll in seltenen und extrem gelagerten Konstellationen im Einzelfall gelten.
Steuerverschärfende Regelungen 2004 verfassungsgemäß?
Gegen das Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG) waren verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Die zahlreichen steuerverschärfenden Regelungen aus dem sog. Koch-Steinbrück-Papier waren nach Ansicht der Kritiker erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügt worden. Hierin könnte ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip gesehen werden. Die noch heute geltenden praktischen Auswirkungen zeigen sich insbesondere im Ertragsteuerrecht (z. B. Minderung von Arbeitnehmer- Pauschbetrag/ Sparer-Freibetrag) und Erbschaftsteuerrecht (Senkung Bewertungsabschlag Betriebsvermögen). Die ebenfalls mit dem Gesetz verbundene Erhöhung der Biersteuer war unmittelbar vor dem BVerfG anhängig geworden. Die Finanzverwaltung hatte daraufhin u. a. sämtliche Einkommen- und Körperschaftsteuerbescheide ab dem Jahr 2004 mit einem Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Anwendung der durch das HBeglG geänderten Vorschriften versehen.
Entscheidung des BVerfG und Reaktion des BMF: Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Erhöhung der Biersteuer nicht zur Entscheidung angenommen und für unzulässig erklärt. Das Gericht sah die Brauereien, die sich gegen die Änderung wehrten, nicht unmittelbar als vom Gesetz betroffen an, so dass zunächst eine Ausschöpfung des Rechtswegs erforderlich sei. Trotz des aus rein formalen Gründen negativ beschiedenen Beschlusses des BVerfG hat das Bundesministerium der Finanzen in einem BMF-Schreiben seine Finanzämter angewiesen, zumindest hinsichtlich der Anwendbarkeit des HBeglG die Steuerbescheide zukünftig endgültig zu erlassen.
In der Sachverhaltsschilderung des BVerfG werden nach den ersten Literaturmeinungen Anhaltspunkte dafür gesehen, dass das BVerfG bei einer nochmaligen Befassung mit der Rechtssache die im HBeglG getroffenen Regelungen tolerieren wird. Hierfür spreche, dass dem Parlament das Koch-Steinbrück-Papier geläufig war. Deshalb muss in der täglichen Praxis bezweifelt werden, ob der Aufwand gerechtfertigt ist, nahezu alle Steuerbescheide ab 2004 offen zu halten. Von daher sollten sich alle Mandanten, die den Rechtsweg bestreiten wollen, rechtzeitig bei ihrem Steuerberater melden. Neu erlassene Bescheide ohne Vorläufigkeitsvermerk wären dann durch Rechtsbehelf anzufechten. Bei älteren Bescheiden, die mit dem Vorläufigkeitsvermerk versehen sind, käme ein Antrag auf Änderung (Jahresfrist) in Betracht. Die Ablehnung des Antrags wäre wiederum durch Rechtsbehelf anzufechten.
Tabaksteuer bei Schmuggel
Der Tabaksteuer unterliegen Tabakwaren und gleichgestellte Erzeugnisse. Werden Tabakwaren unzulässigerweise aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken nach Deutschland verbracht (z. B. geschmuggelt), so entsteht Tabaksteuer. Die Tabakwaren werden sichergestellt.
Fall: Ein Lkw-Fahrer transportierte Möbel von Polen nach Deutschland. Ohne sein Wissen waren Zigaretten aus dem freien Verkehr Polens auf dem Lkw versteckt. Es war strittig, ob der Lkw-Fahrer Schuldner der Tabaksteuer geworden war.
Nach Ansicht des BFH verbringt der Fahrer eines Lkw die Waren im Sinne des TabStG auch dann, wenn diese ohne sein Wissen in dem Fahrzeug versteckt worden sind. Der Lkw-Fahrer war daher Schuldner der Tabaksteuer.
Konsequenz: Das Urteil ist konform zur Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich vergleichbarer Fälle zur Entrichtung des Zolls bei der Einfuhr aus Drittstaaten. Fazit daher, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Schenkung einer Darlehensforderung an minderjährige Kinder
Einführung: Vermögensübertragungen innerhalb einer Familie, insbesondere auf minderjährige Kinder, unterliegen besonderen zivil- und steuerrechtlichen Anforderungen. Das Finanzamt prüft hier im Regelfall sehr genau, ob die gewählten Gestaltungen fremdüblich und tatsächlich durchgeführt worden sind. Vielfach wird die bloße scheinbare Verschiebung von Einkunftsquellen zum Zwecke der Steuerersparnis vermutet.
Sachverhalt: Der Kläger (Mehrheitsgesellschafter einer GmbH) hatte seinen drei Kindern Teilbeträge einer Darlehensforderung, die er gegenüber seiner GmbH besaß, geschenkt. Daraufhin schlossen die Kinder, von denen zwei noch minderjährig waren, neue Darlehensverträge mit der GmbH ab, in denen die Verzinsung und die Rückzahlungsmodalitäten geregelt wurden. Die Kinder wurden beim Abschluss der Darlehensverträge lediglich durch ihre Mutter vertreten. Das Finanzamt behandelte daraufhin die Zinszahlungen der GmbH an die Kinder als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Zur Begründung trug das Finanzamt vor, dass die Kinder keine tatsächliche Verfügungsmacht über die Darlehensforderungen erlangt hätten, da die Schenkungen mangels wirksamer Vertretung unwirksam seien.
Entscheidung: Der BFH hat – ebenso wie die Vorinstanz – die Zinszahlungen an die Kinder als Betriebsausgaben anerkannt. Insbesondere die Frage der Wirksamkeit der Schenkungen beurteilt der BFH anders als das Finanzamt. So sind die Schenkungen der Darlehensforderungen wirksam, da diese den Kindern lediglich einen rechtlichen Vorteil gebracht haben. Für den Abschluss der neuen Darlehensverträge hätten die Kinder hingegen durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden müssen, da die hierin geregelte Rückzahlung (Verlängerung der Laufzeit und der Kündigungsfrist) gegenüber der vorherigen Regelung für die Kinder nachteilig war. Damit waren die Verträge schwebend unwirksam, die Kinder aber trotzdem wirksam in den Besitz der Darlehensforderungen gelangt. Somit bestand auch eine wirksame Grundlage für die Zahlung der Zinsen.
Konsequenz: Die GmbH als rechtlich selbstständige juristische Person und eigenes Steuersubjekt bietet deutlich mehr Schutz gegen einen steuerlichen Durchgriff des Finanzamts als eine Personengesellschaft. Allerdings sind die formellen und materiellen Kriterien des Fremdvergleichs zu beachten, um der Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung zu entgehen.
Bernd Dickmann